Mischverkehr ist nicht Mischverkehr. Es gibt insbesondere in den Städten, die alle mit denselben räumlichen und verkehrlichen Zielkonflikten umgehen müssen, die unterschiedlichsten Mischverkehrskonzepte. Mischverkehr ist in den meisten Fällen ein Kompromiss, der zur Anwendung kommt, wenn sich nicht mehr alle Ansprüche ohne Abstriche erfüllen lassen. Nicht alles, was unter dem Titel Mischverkehr eingeführt wurde, war auch ein Erfolg. In Zürich wurde «Mischverkehr» teilweise gar zum Synonym für gescheiterte Verkehrsexperimente. Vor allem wenn sich Verkehrsteilnehmer mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten dieselben Flächen teilen müssen, stossen Mischverkehrskonzepte an ihre Grenzen. Das gilt insbesondere für Flächen, die sich Velo- und Fussverkehr teilen müssen.
Anders verhält es sich mit Mischverkehr von Bahn und motorisiertem Individualverkehr. In der Stadt Bern sind auf mehreren Verkehrsachsen Trams und Autos auf derselben Fahrbahn unterwegs. Beispielsweise auf der Strecke vom Ostring Richtung Innenstadt oder beim Stade de Suisse. Ein Streckenabschnitt, der sich recht gut mit dem geplanten Mischverkehr auf der Baselstrasse vergleichen lässt, ist die Seftigenstrasse ab Haltestelle Gurtenbahn bis zur Wendeschleife in Wabern. Der grösste Unterschied liegt darin, dass die Seftigenstrasse ein deutlich grösseres Verkehrsaufkommen bewältigt. 17'000 Fahrzeuge des motorisierten Individualverkehrs zirkulieren im Tagesdurchschnitt zusammen mit Trams im Sechsminutentakt. Bei der Einführung des Mischverkehrs vor 22 Jahren waren es sogar noch 20'000 Fahrzeuge täglich. Auch dort funktioniert das System mit den Trams als «Pulkführern» vor den Autos, wie dieses Video zeigt. Der zuständige Kreisoberingenieur Thomas Schmid, damals als Projektleiter verantwortlich für die Umsetzung, weist auf die Wichtigkeit eines guten Verkehrsmanagements hin: «Entscheidend ist, dass das Gesamtkonzept gut durchdacht ist und auch für die möglichen Sonderfälle Lösungen bestehen». Die Zahl der Verkehrsunfälle wurde mit dem neuen Verkehrsregime deutlich verringert, die Fahrplanstabilität von Bernmobil ist trotz der hohen Kadenz gewährleistet. Das Konzept hat sich so gut bewährt, dass nun auch für für ein weiteres Teilstück der Seftigenstrasse in Bern der Mischverkehr geprüft wird. Die Eigentrasse des Trams könnte aufgehoben werden, um Platz für einen Veloweg zu schaffen – exakt dasselbe Projektziel wie bei der Baselstrasse. Kurz vor Weihnachten trafen sich die Verantwortlichen von Behörden, Bernmobil und Interessenvertretungen zu einer ersten Projektbesprechung: «Dabei vertraten alle die Auffassung, dass sich der Mischverkehr auf der Seftigenstrasse bewährt habe», sagt Thomas Schmid.
Genau dieses Konzept, das in Bern nach 20 Jahren eine hohe Akzeptanz geniesst, soll auf der Baselstrasse umgesetzt werden. Abgesehen vom Mischverkehr für Bahn und Auto sieht das Projekt eine Entmischung des Verkehrs vor, indem es dem deutlich langsameren Veloverkehr eine eigene Spur verschafft und das Angebot für den Fussverkehr verbessert.